Neue Kresse-Sorten

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Kresse-METRO

Neue Züchtungen machen Kresse zu einer
buchstäblich atemberaubenden Aromen-Sensation.

Die neuen Kressesorten sehen toll aus, vor allem aber schmecken sie fantastisch.

Der Niederländer Rob Baan ist auf allen Kontinenten unterwegs, immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Aromen, bislang unbekannten Pflanzen, neuen Geschmack-Kicks für die Kreativköche der Welt. Vom legendären El-Bulli-Gründer Ferran Adrià abwärts sind „so gut wie alle profilierten Sterne- und Haubenköche Europas“ heute seine Kunden, erklärt Marcel Thiele, der Culinary Development Manager von Baans Unternehmen Koppert Cress in Holland. Baans maßgebliches Produkt ist, wie der Name seiner Firma schon andeutet, Kresse. Aber nicht die allseits bekannte Brunnenkresse, die als würzige Garnitur seit Generationen aufs Butterbrot gestreut wird. Baan kultiviert in seinen Gewächshäusern unter anderem 30 verschiedene Kressespezialitäten, deren Geschmacksspektren selbst erfahrene Gourmets mit Verblüffung, Erstaunen, Begeisterung quittieren. Dass es sich in der Mehrzahl gar nicht um Kressevarianten im botanischen Sinn handelt, sondern um Triebe und Sprossen verschiedener, zum Teil hoch exotischer Pflanzen, ist dabei gar nicht das Entscheidende. Wirklich bemerkenswert sind die geschmacklichen Eigenschaften, aber auch der hochgradig dekorative Effekt, die sich mit ihrer Hilfe in Gerichte packen lassen. Hauchzarte, hochgeschossene Triebe wie jene der geschmacklich zwischen Schnitt- und Bärlauch oszillierenden „Rock Chives“ etwa tragen an ihrer Spitze Samenkapseln, die wie tiefschwarze Perlen anmuten.


"Für uns ist entscheidend, dass es sich dabei nicht um Neuzüchtungen oder gar genetisch manipulierte Pflanzen handelt. 
Das sind ausnahmslos Samentriebe, die auf naturbelassener, nicht gebleichter Zellulose mit nichts als Wasser und Sole gezogen
werden."

Marcel Thiele
Culinary Development Manager

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Die feinen Blätter der „Vene Cress“ wiederum leuchten in hellem, frischen Grün und sind von tiefroten Äderchen durchzogen, ihr Geschmack vermittelt fein schillernde
Säure und zarte, apfelige Nuancen. Die runden, gezackten Blättchen von „Atsina Cress“ hingegen explodieren förmlich am Gaumen, so prägnant, frisch ist ihr Aniston.
Dagegen stehen die langen, lila-weiß gefärbten Stiele der „Chilli Cress“ im Kontrast zu den tiefgrünen Blättern an der Spitze: Sieht nicht nur sehr dekorativ aus, sondern entwickelt auf der Zunge auch eine einzigartig frische, rettichähnliche Schärfe, die sich wie in Zeitlupe über den Gaumen legt – um dann umso nachhaltiger präsent zu sein. Es wundert nicht, dass Spitzenköche geradezu euphorisch auf diese neuen Produkte reagieren.

"Für uns ist entscheidend, dass es sich dabei nicht um Neuzüchtungen oder gar genetisch manipulierte Pflanzen handelt“, sagt Thiele. „Das sind ausnahmslos Samentriebe, die auf naturbelassener, nicht gebleichterZellulose mit nichts als Wasser und Sole gezogen werden.“ Alle Kraft, aller Geschmack kommen aus dem Samen selbst. Düngemittel, egal welcher Art, werden nicht eingesetzt. Entscheidend ist die Kraft der Samen und ihr aromatisches Potenzial. Viele hat Rob Baan im asiatischen Raum aufgespürt. Die Daikonkresse aus Japan war mit ihrem scharfen, pfeffrigen Retticharoma einst jene Kresse, mit der die Produktion begründet wurde. Auch „Shiso Purple“ mit ihrem faszinierend vielschichtigen, zwischen Minze, Koriander, Zitrone und Anis schwingenden Aroma, ist ursprünglich in Ostasien zuhause, wo sie Sashimi geschmackliche Tiefe und frittierten Gerichten Leichtigkeit verleiht. In Europa setzen kreative Köche die in dunklem Violett leuchtenden Blätter aber auch als Kontrast bei Sorbets und anderen Desserts ein. Manche Samen hat Baan in Papua-Neuguinea entdeckt, andere, wie jene der buchstäblich atemberaubenden „Sechuan Cress“, in Madagaskar.

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 Universum Kresse: Manche Samen kommen aus Papua-Neuguinea, andere aus Madagaskar, wieder andere warteten direkt vor der Haustür auf Entdeckung.

Ihre grünen Blätter mögen auf ersten Blick nicht weiter bemerkenswert wirken – die Sensation aber liegt im Geschmack. Beim Hineinbeißen ist bis auf eine angenehme, frische Note nicht viel zu bemerken. Aber dann: Plötzlich prickelt die ganze Zunge, man meint förmlich zu spüren, wie sich die Geschmackspapillen
erwartungsfroh aufrichten. Der Speichelfluss wird merkbar angeregt, und plötzlich ist es da: ein Gefühl, als ob elektrische Impulse über die Zunge blitzen –
nicht beunruhigend oder gar schmerzhaft, sondern vielmehr animierend, wild und ziemlich abgehoben. Das macht extrem viel Freude und ist – für Köche nicht
zu unterschätzen – vor allem dazu angetan, selbst die beiläufigsten Esser mit einem Mal wieder in voller Aufmerksamkeit vor ihren Tellern sitzen zu haben:
„Wow, was geht denn hier ab!“ Man darf sich von den explosiven Aromen nicht täuschen lassen: Das sind alles junge Triebe, überaus zarte, empfindsame Pflänzchen. Es bedarf erheblichen Know-hows, sie zu kultivieren und noch mehr, um sie so zu verpacken und auf den Weg zu ihrem endgültigen Genießer zu bringen, dass sie ihr Versprechen halten können. Die Tassen, in denen die Aromen wie dichte Teppiche sprießen, sind so verschlossen, dass sie einerseits nicht Gefahr laufen  auszutrocknen, anderseits aber auch die nötige Luft bekommen. Mindestens sieben bis zehn Tage halten sie auf diese Weise frisch, damit die Fülle des Geschmacks erhalten bleibt.