Fermentieren in der Gastronomie, Teil 3: Fermentation als kulinarisches Alleinstellungsmerkmal am Beispiel BRLO Brwhouse, Berlin

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Fermentation Header

Im dritten Beitrag unseres Vierteilers zeigen wir, wie sich mit fermentierten Produkten und Speisen ein individuelles Foodangebot für die Gäste aufbauen lässt – und wie damit sogar ein traditionell fleischlastiges Konzept wie das Brauhaus neu gedacht werden kann.

Fermentation 3
Eine Gastronomie, in der Bier gebraut und im angeschlossenen Restaurant zum Essen serviert wird, kennt man landauf, landab als Brauhaus. Vom Betriebstyp her ist auch das Berliner BRLO Brwhouse im zentral gelegenen Gleisdreieckpark genau dieses. Doch die klassische, traditionell von Fleischgerichten wie Haxe, Braten, Gulasch & Co. dominierte Küche gibt es hier nicht. 
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Brauhausküche 2.0

„Wir versuchen hier etwas richtig Spezielles zu machen“, erklärt Küchenchef Peter Gee, der schon seit der Eröffnung der aus zusammen montierten Überseecontainern bestehenden Location im Jahr 2017 mit dabei ist. Das „richtig Spezielle“ ist die Gemüseküche: Auf der Karte finden sich zum Beispiel ein gebackener Blumenkohl mit Vadouvan-Rub und einer Glasur von einem der hauseigenen Biere, einem hopfenbetonten Pale Ale, dazu Kürbispüree, sauer eingelegter Kürbis und Hagebuttenmousse. Oder Sauerbraten – aber nicht vom Rind, sondern aus Sellerie! Dazu ein Schwarzwurzel-Püree, Eierstich, Röstmalz, Liebstöckel und Bergamotte.

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Bier und Gemüse: ein Traumpaar

Warum macht das „BRLO Brwhouse“ das? Weil man der traditionellen, schweren und  fleischlastigen Brauhausküche ein leichteres, bekömmlicheres und nachhaltigeres Speisenangebot entgegen setzen möchte – was besser zum jungen, hippen und unkonventionellen Image der Craftbier-Marke BRLO passt. Aber auch, und das ist eigentlich noch viel wichtiger: Weil Bier und Gemüse richtig gut zueinander passen und sich mit den Aromen aus dem Gebrauten und den (zubereiteten) Pflanzen wunderbare Kombinationen und Pairings kreieren lassen. Zum „Sellerie-Sauerbraten“ zum Beispiel empfiehlt Peter Gee die hauseigene Berliner Weisse mit ihren säuerlichen Noten – das passt gut zur buttrigen Textur des gegarten Sellerie und begleitet das Gericht mit erfrischender Leichtigkeit. 

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Mehr Geschmack durch Fermentation

Ganz besonders hat es dem Küchenteam die Fermentation angetan. Sie ist, darüber berichteten wir im vorherigen Teil unserer Serie, ein Herauslösen des Geschmacks: Im Gärprozess verändert und verstärkt sich der Geschmack der Ausgangsprodukte und es entstehen neue und intensive Aromen. „Gemüsefermentation macht es uns möglich, viel mehr Geschmack aus den Zutaten heraus zu bekommen“, erklärt Peter. Zum Beispiel beim Brokkoli-Gang, der eine Art „Dreierlei vom Brokkoli“ ist: Wilde und schonend gegarte Brokkoli-Röschen werden mit geräucherter Brokkolicreme verfeinert und dazu kommt noch einmal Brokkoli – fermentiert. Dafür verwendet man den Strunk vom Brokkoli: Statt ihn wie  so oft der Fall einfach wegzuwerfen, wird er hier fermentiert, eine knappe Woche gedämpft, kleingehackt und kommt mit auf die Teller – Ergebnis ist ein noch runderer Geschmack. Fermentation ist auch eine Möglichkeit, seinen Foodwaste zu reduzieren und Lebensmittel besser zu nutzen. Was sich übrigens auch vorteilhaft auf den Wareneinsatz auswirkt.

Zum „Brokkoli-Trialog“ kommen eingelegte Radieschen und Blauschimmelschaum, und dazu passt das etwas hopfigere und dadurch feinbittere „Happy Pils“. Zum körperbetonten, kräftig-süßen „Baltic Porter“ mit seinen Karamell- und Röstaromen hingegen empfiehlt man Knoblauch. Knoblauch?!


Knoblauch zum Bier und als Dessert

Der Küchenchef kommt mit einer Knolle zurück, die fast drei Wochen Fermentation bei konstant erhöhten Temperaturen hinter sich hat: Die Zehen sind dabei pechschwarz geworden. Vor allem aber, das merkt man beim Probieren gleich, ist die typische Schärfe entwichen, der Knoblauch ist mild geworden und schmeckt nun süß, mit Noten von dunkler Schokolade und Kaffee – was tatsächlich sehr gut zum Porter passt.

Die Küche nutzt den schwarzen fermentierten Knoblauch, der in der asiatischen Küche eine lange Tradition hat, nicht nur, um damit das hausgemachte Kartoffelpüree aromatisch zu verfeinern. Sondern auch, um daraus ein Dessert zu zaubern, eine „Schwarze Knoblauch Cream“ (eine Abwandlung der klassischen Crème Anglaise) mit Sellerie-Mousse, Kakao-Tuile und Granny-Smith-Sud. „Mit Fermentation überraschen wir unsere Gäste“, so Peter, und wenn sie Fragen haben, dann wird ihnen gerne erklärt, wie man es macht. Die großen Gefäße, in denen man fermentiert, stehen gut sichtbar hinter der Glasscheibe, die Küche und Gastraum voneinander trennt. À propos trennen: Fermentiertes und Eingelegtes eignet sich auch sehr gut, um nach einem aromatischen Gang den Gaumen und den Mund wieder „frisch“ für die nächste Speise zu machen – dafür bietet man hausgemachte, leckere und fein säuerliche Mixed Pickles an – sie werden von den Gästen einfach zwischendurch genascht. 

Sauerkraut selber machen – perfekt für den Start

Was empfiehlt Peter Gee seinen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel in einem klassischen Brauhaus arbeiten, in Sachen Fermentation? „Sauerkraut gibt es ja in vielen Brauhäusern. Nur leider wird es nur noch selten selbst gemacht. Das würde ich mir wünschen, hausgemacht schmeckt es super“, findet er. Und die Herstellung sei völlig unkompliziert: Weiß- oder Spitzkohl in ein sauberes Glasgefäß mit 2% Salzlösung geben, gut auffüllen, vollständig abdecken und ab und zu probieren – „wenn es nicht mehr auf der Zunge prickelt und weich und vollmundig ist, dann ist es fertig.“ Man könne so ein selbst gemachtes Sauerkraut auch sehr gut mit geraspelten Karotten verfeinern, dann komme eine leichte Süße dazu. Auch Sellerie lasse sich gut untermischen. „Oder man macht ein Sauerkraut aus Rotkraut, das dem gekochten Rotkraut (auch Blaukraut oder Rotkohl genannt, Anm. d. Red.) beigemengt wird, dazu noch etwas süßsauer eingelegtes Rotkraut – dann ist es deftig, würzig und süßsäuerlich.“ Das klingt lecker und passt sicher auch sehr gut zu einem klassischen fleischigen Brauhausgericht.

Ü
brigens: Fleisch gibt es auch im „BRLO Brwhouse“ durchaus. Auf der Restaurantkarte finden die Gäste zum Beispiel Rippchen vom schwäbisch-hällischen Landschwein oder  Lammnacken vom Salzwiesenlamm. Sie können auf Wunsch, als Beilage, zu den Gemüsegerichten dazu bestellt werden. Das Fleisch rückt damit bildlich gesprochen aus der Tellermitte an den Rand und wird zum herzhaften Extra, während das Gemüse im Zentrum steht. Und hier in vielen aromatischen Facetten daher kommt – dank der uralten und heute von Restaurants wie diesem wiederentdeckten Küchentechnik der Fermentation.